Dein Beitrag…

Wenn Du uns unterstützen möchtest dann freuen wir uns wenn Du die Werbung anklickst :)
Reisebericht

Dänemark – Kiten im Herbst

Dänemark – Kiten im Herbst

IMG_3416Land der Regenbogen – Dänemark Kiten im Herbst und Grenzgänge der besonderen Art

Aktive: 10 windhungrige Großstadtnasen und der allwissende Oskar
Special Thanks to: 1 Flasche Shiraz
Es ist kühl geworden. Der letzte milde Spätsommertag in St. Peter liegt erst wenige Stunden zurück und scheint doch schon so fern. Morgens schält sich die Sonne nur schwerfällig aus dem Nebel, am Nachmittag taucht sie die Stadt in mildes, milchiges, Sturmverkündendes Licht, abends verschwindet sie schnell unter dem Horizont und lässt den Mond die langen Nächte bewachen. Oskar und meine Abende auf dem Balkon mit dem guten Rotwein, einem Happen Käse und endlosen Geschichten sind vorbei. Wir sitzen drinnen um die Kerzen, lauschen den Klängen der Salsa, Rumba und dem Tango – hängen unseren Gedanken nach und seufzen allenfalls hier und dort einmal in die herbstliche Stille hinein. Oskar rührt sich zuerst „Schätzelein! Weißt Du überhaupt das dieses Wochenende schon Dänemark ins Haus steht?“
Verdutzt hebe ich den Kopf hoch und lass die Finger ihre Arbeit an der Tastatur des Laptop unterbrechen „Du machst Witze! Dieses Wochenende schon? Ist es denn schon so weit im Jahr? Der Sommer schon zu Ende? Mit seinen warmen Morgen an denen ich früh um sechs barfuss über den Strand rennen konnte, dem Meer entgegen, die Wellen begrüßend, mit Dir zusammen leicht, frei und lachend über Stunden auf dem Ozean kreuzen?“

Oskar klappert herbstliche Trägheit aus dem Schnabel, prüft seine Krallen , schüttelt seine Federn und springt auf die Sofalehne. „ Ja, mein Herz- Sommer ist vorbei- Herbst steht ins Haus und der erste Sturm, der erste wirklich schwere Sturm rollt heran und es ist mal wieder Dänemark im Kalender angestrichen. So wie jedes Jahr im Oktober- ein langes Wochenende da im Norden, im Land der tausenden Regenbogen, der flachen, eng an die Dünen gedrängten Häuschen, der blonden, immerfort lachenden Menschen, frischem Fisch, Kaminen und Wind, der täglichen Wahl zwischen FlachwasserFjord und Nordseewelle. Und glaub mir, meine Liebe in diesem Jahr wirst Du Dein Wunder erleben und ich bin sicher die eine oder andere Grenze verdammt weit fassen! Und da Du dafür alle Kraft brauchst, die Dir dieses Jahr manchmal abhanden schien klappst Du bitte diesen Laptop da auf dem Tisch zu, lässt den Artikel der geschrieben werden muss einfach mal sein und konzentrierst Dich auf wirklich wichtige Dinge!“
„Die da wären?“ „Kalorien inhalieren bis Du nicht mehr kannst, die Einkaufsliste schreiben, lachen und sich freuen, dicke Winterpullis einpacken, die Neoschuhe raussuchen, noch mehr lachen und sich freuen, das Melkfett für die Hände, definitiv keine Angst vor den Wetterkarten haben, der 8er verkaufen und einen Sturmkite besorgen- keine Ahnung wie Du das anstellen willst- aber Du hast dafür noch genau drei Tage Zeit! Ach und vergiss das Lachen nicht“
„Eye Sir höre ich mich sagen und muss grinsen. Ich mag meinen Oskar, diese altkluge, immer das letzte Wort haben wollende Möwe, die Rechtbehaltende, sich selten irrende, Zigarre rauchende, nach Bier verlangende, verrückte und so verlässliche…
Ich klappe den Kalender auf- in der Tat. Dänemark springt mich an. Jedes Jahr Ende September/Anfang Oktober genehmige ich mir mit windhungrigen Seelenverwandten ein paar Tage Auszeit und fahre an den Ringkjobing Fjord. Dieser Fjord ist das grösste gewässer des kleinen Königreiches und wird nur durch einen schmalen Streifen Land von der Nordsee getrennt. In Hvide Sande ist der Fjord mit dem Meer verbunden- ein flaches , stehtiefes Gewässer- so weit wie ein Meer und prädestiniert dafür Kiter und Windsurfer zum Üben neuer Tricks zu verführen. Es ist so weit im Jahr- Dänemark steht ins Haus. Also wird das Auto bestellt, die Sachen gewaschen, die Vorhersagen gecheckt, der über Jahre und so geliebte 8er verkauft, ein Sturmkite besorgt, überlegt was ich kochen will, der aufkommende Respekt gegenüber dem sich über Großbritannien bildenden schweren Sturmtief mit Rotwein besänftigt und dem Vertrauen darin, das Oskar schon weiß wann er seine Krallen in meine Schulter hauen wird dann, um mich zur Rückkehr vom Wasser zu bewegen.
Donnerstagmorgen! Es ist kalt und es brezelt in Hvide Sande schon viel früher als berechnet mit 30 Knoten und mehr- aus Nordwest, eigentlich perfekte Bedingungen um in die Welle dort zu gehen. Wenn man einen Kite hätte dem man blind vertrauen kann, dann oK. Mit dem Sonic und 10 Kilo mehr auf den Rippen kein Problem- aber die Murmel, die mir gestern mit den Worten ‚Bitte pass auf Dich auf- es ist ein spezieller Schirm’ in die Hand gedrückt wurde, die eignet sich wohl nicht dazu. Es ist ein bisschen chaotisch heute morgen und mit ein einiger Verspätung ist die Karawane der Windsüchtigen endlich auf der Autobahn. Die mir in diesem Sommer so lieb gewordenen Kitekumpel und natürlich Oskar sind bei mir an Board. Wir checken diverse Radiosender, singen laut und falsch mit und philosophieren mal wieder über Gott, die Welt und den neuen Tarantino Film, tingeln im Sonnenschein übers Land und nähern uns langsam aber beständig dem Ringkjöbing Fjord, das die Bäume sich bedrohlich biegen, gar die Fahnenmasten am Straßenrand von links nach rechts wanken ignorieren wir fürs Erste einfach. Oskar schmatzt uns genüsslich die Madalenas weg, wölbt eine Augenbraue und gibt bekannt „ Naja, Welle wohl nicht heute- aber Fjord da geht heut abends was“

„ Alter! Jetzt lass uns mal ankommen da oben, die Hütte beziehen, dann werde ich mich über die Düne quälen- wie immer- und dann gebe ich Dir bekannt, wofür ich mich entscheide! Penn einfach ein bisschen und mal den Teufel nicht an die Wand. Ich geh heut noch aufs Wasser- und wenn ich zwei Kinderschirmchen mit meinem Tape zum neuen Sturmkite zusammen basteln muss. Ich fahr doch nicht 400 Kilometer in den Norden um wegen zuviel Wind nicht aufs Wasser zu können.“ Später als erwartet landen wir auf dem Campingplatz. In Dänemark ticken die Uhren einen Schlag langsamer als bei uns und das tut verdammt gut. Es brezelt noch immer. Gevatter Pustemann lässt heute nicht so recht ab vom Oratorium. Der Weg über die Düne ist beschwerlich, Böen peitschen den Sand ins Gesicht. Die feinen Körner setzen sich hinter den Kontaktlinsen fest und lassen die Augen tränen. Die Welle ist hoch, verdammt hoch und läuft auch nicht sauber. Es fällt mir schwer Sets zu erkennen, Lücken zu finden. Oskar erkundet die Situation weiter draussen, kommt ziemlich japsend zurück und schüttelt den Kopf. „Keine Chance heute. Naja also- schon eine Chance, aber Spaß ist was anderes- da draußen ist soviel Weißwasser, die Welle läuft nicht sauber und die Strömung ist gigantisch. Fahrt an den Fjord, rockt da noch ne Stunde, haut Euch dann in die Sauna und die Bäuche mit dem Risotto, den Pfifferlingen und dem Schweinefilet voll, trinkt noch ein gutes Glas Rotwein und geht schlafen. Morgen früh wird es hier besser und sanfter sein. Wenn ihr um 07.00 aufsteht dann bekommt ihr noch was mit vom Wind morgen“
Wir schauen uns an, etwas unschlüssig. Eine Freundin meldet sich in unsere Unentschlossenheit aus Bork Havn- die Entscheidung steht und die Karawane fährt an den Fjord. Bork Havn liegt auf der Ostseite des Fjordes. Kitebar sind fast alle Richtungen des Windes ohne Südanteil. Der Parkplatz liegt direkt hinter der Wiese zum Aufbauen. Ein schmaler Streifen Baumbewuchs verwirbelt gerade Wind aus Südwest, so dass es ratsam ist sowohl im Wasser zu starten und auch wieder zu landen um den Luvstau zu umgehen. Wie alle Spots am Fjord ist Bork Havn weit stehtief.
Zu zweit mit der Murmel, der Rest mit nem 7er haben wir nach einigen Kommunikationsschwierigkeiten mit Gipsy dann tatsächlich noch eine grandiose Session bis kurz vor dem Dunkelwerden. Es ist kalt, so verdammt kalt das ich aufgeben muss, weil meine Finger taub und gefühllos sind und ich die Bar nicht mehr greifen kann. Abgebaut und Sauna. Das einzig Richtige nach einer solchen Teufelsfahrt. Wir haben 30 Knoten im Schnitt gemessen mit fiesen Löchern nach oben und unten, grenzwertig, stets die Schauerwolken interpretierend, in ständiger Bereitschaft neuerlicher Böen. Ich bin froh dass sowohl am Strand, als auch im Wasser Menschen sind, die mich nicht aus den Augen lassen.

Abends sitzen wir dann gemütlich in der warmen Hütte und diskutieren darüber, ob es sehr verrückt ist in den freien Tagen sich morgens um sieben aus den Träumen zu lösen und kiten zugehen.
Von jetzt auf gleich ist bei mir dann die Luft raus- ich fall einfach nur noch aufs Sofa und bin nach zwei Seiten Lesen im mitgebrachten Urlaubsschmöker irgendwo in der karibischen Sonne, Wellen schlitzend, warmen, gut riechenden Sommerwind um die Nase und ein helles Lachen nach irgendwohin schickend. Dänemark hat mir gefehlt und ich weiß gar nicht, warum es mir so schwer fiel hierher zu fahren in diesem Jahr. Immer schob ich Termine vor, das es nicht ging, verkrümelte mich in den Osten, setzte andere Prioritäten und vernachlässigte ein bisschen meine Leidenschaft für dieses sanfte Fleckchen in den Dünen zwischen Fjord und Nordsee. Mir fällt wieder ein, was ich in diesem Jahr alles vor gehabt habe hier zu erkunden- bis ganz in den Norden wollte ich fahren. Einen lieben langen Sommer lang und getan habe ich es nicht. Komisches Leben manchmal.
Als ich aufwache setzt gerade erst die Dämmerung ein. Herbst! Denke ich- jetzt ist es morgens noch dunkel, wenn ich meinen Tag starten will. Der Sturm hat nachgelassen und Gevatter Wind scheint sich eine Pause zu gönnen. Sanft säuselt er seine lockende Melodie um die Hütte. Ich schlurfe Richtung Wasserkocher und mache einen Kaffee. Bei den Jungs rührt sich als erster der Junior. Gemeinsam entern wir die Düne. Klare, weiche Luft strömt in unsere Lungen, die Blicke weit prüfen wir den Wind und die Welle. Oskar stolpert hinterher und schimpft, dass auf ihn nicht gewartet wurde „Verdammt! Ihr wisst doch, das ich ohne Kaffee nicht bewegungsfähig bin“
„Kaffee war fertig- mein Freund“ entgegne ich.
„Stimmt- aber der war so dünne, davon wird noch nicht einmal ein bettflüchtiger Pensionär wach! Ich musste mir selbst was brauen und ihr hättet warten können“ Ich grinse in die aufgehende Sonne . „Hmmmm- gute Laune gibt es bestimmt beim Bäcker nachher zu kaufen. Sag mir jetzt mal , was Du vom Wind heute hältst!“

Geschäftig stolziert Oskar die Düne auf und ab, wichtig hält er die Flügelspitzen nach oben, legt den Kopf schief, schnalzt mit dem Schnabel, legt die Stirn in Falten und meint: „Grenzwertig- jetzt aufbauen und versuchen gegen die Strömung ein bisschen zu fahren. Dann Frühstück und schauen ob es auf dem Fjord noch reicht. Heute ist ein Tag für Euren mitgebrachten Kitenachwuchs.“
Hvide Sande ist ein besonderer Spot. Hier wird an der Mole die Nordsee gerockt oder aber auf dem Fjord. Die Entfernung zwischen beiden Spots beträgt keine 5 Autominuten. Je nach Könnerstufe kannst Du wählen zwischen Welle oder Flachwasser. Die Nordsee bei Hvide Sande zaubert gigantische Wellen. Die vorgelagerte Mole sorgt zudem dafür das die Wellen gerade bei Nordwestwind nahezu perfekt brechen. Weht der Wind auf Südwest wechselt man an den etwas unbequemeren nördlichen Teil hinter der Mole- da laufen dort die Wellen sauberer. Nach Süden zu schliessen sich an Hvide Sande unzählige Feriensiedlungen. Wer hier ein Häuschen für seinen Urlaub mietet hat alles richtig gemacht. Morgens stiefelt er über die Düne checkt den Wind und wenn dieser richtig steht kann er direkt aufbauen und kiten gehen. Die Strömung ist manchmal sehr anstrengend, gerade bei wind aus nördlichen Richtungen und die mitunter sehr hochreichenden Dünen sorgen für Abdeckung, so dass damit gerechnet werden muss auf dem offenen Meer 5 Knoten mehr Druck im Schirm zu haben, als noch am Strand. In Dänemark gelten wie überall sonst auch die allgemeingültigen Verhaltensregeln beim Kiten, da es bis heute aber noch nicht zu der in Deutshland hinlänglich bekannten und verfluchten Überfüllung der Strände mit Kitesurfern gekommen ist, sind die Beschränkungen auch noch nicht so stark. In jedem Fall sollte auf Badegäste, spielende und im Wasser planschende Kinder geachtet werden. Hvide Sande ist kitebar bei Süd bis Nordwind, wobei Westwind sehr schwer zu bezwingen ist, da dieser voll auflandig weht und die Welle nicht sauber laufen lässt. Da gehört viel Erfahrung dazu.
Wir fügen uns den Prophezeihungen des Altmeisters. Schleppen den Kram über die Düne, bauen auf und versuchen unser Glück. Ein paar Schläge sind uns tatsächlich vergönnt- auch wenn wir immer und immer wieder am Strand die Höhe laufen müssen. Die Jungs haben ein bisschen Spass- ich selbst bin auf der Suche nach einem vernünftigen Rhythmus und finde ihn nicht. Erinnerungen steigen auf- das gab es schon einmal hier, aber damals war ich nicht diejenige die verbissen immer und immer wieder startete um mit der Strömung nach Süden gezogen zu werden. Oskar schiesst vor mir ins Meer und taucht mit einem in der Morgensonne silbrig glänzenden Fisch im Schnabel wieder auf. „ Schätzchen- schieb Deine Gedanken beiseite- essen fassen und danach schnellstens an den Fjord“ Ein bisschen schwermütig und den Gedanken nachhängend pack ich meinen Stuff zusammen, die Jungs haben schon längst aufgegeben, stehen wissend am Strand und warten geduldig das ich meinen aussichtslosen Kampf gegen die Strömung beende und sie vom Hunger befreie. Wir besorgen uns frische Brötchen, mümmeln das Müsli weg, schmieren Proviant für den Tag, schmeißen uns in die fahrbaren Untersätze und folgen den anderen an den Fjord nach Skaven. Unterwegs klugscheisst Oskar vom Feinsten- erzählt einen Wolf von irgendwelchen Sturmsucher Aktionen in seiner Jugend und das bestimmt heute noch was geht. Ich schau über den Rand meiner Sonnenbrille auf den sich selbstbeweihräuchernden Geschichtenerzähler, grinse ihn an- zeig auf die matt in der Sonne hängenden Fahnen und sage nichts. Wird schon! Wenn Oskar meint- dann meint er. Irren tut er sich am Ende selten denk ich bei mir. Und wenn schon- ich war heute morgen auf und in meinem Meer- bin fürs Erste zufrieden. Als wir nach Skaven einbiegen sehen wir nur einen Haufen Kites am Strand liegen. Skaven wartet mit zwei Strandabschnitten zum Aufbau und Start auf. Zum einen direkt am Hafen mit einem ausreichend breiten Gras-/Sandgemisch und zum anderen ein bisschen abseits mit einer Wiese zum Aufbau und dem Startbereich unten am Strand. Gerade am kleineren der beiden Spots gereicht es von Vorteil, wenn der Schirm an der Wasserkante gestartet wird und nicht auf der Wiese. Die Parkzone ist gefährlich nah und umliegende Bäume sorgen für Verwirbelungen und Abdeckungen des Windes. Skaven kann bei allen Winden mit Westanteil befahren werden ist scheinbar endlos stehtief und selten überlaufen.
Es Scheint wirklich nicht viel zu gehen und das obwohl Schaumkronen am Horizont zu erkennen sind. Ich nehme den Kitenachwuchs zur Seite. „Egal! Wir versuchen es“
Zum zweiten Mal an diesem Tag werden die Kites aufgepumpt, Leinen ausgelegt, gecheckt und als wir fertig sind da hat es Wind- Wind für zwei klägliche Schläge. Ein dummer Versuch, denke ich mir. Jetzt dümpele ich hier im Fjord vor mich hin- erfolglos, kurbelnd und wäre doch lieber drüben am Meer. Irgendwo in den Dünen, das Buch vor der Nase, Geschichten spinnend, chillend, die Welt vergessend. Wir geben auf, sind etwas ratlos und schauen Oskar fragend an. Der steht in der Mitte und holt sein berüchtigtes „Eins, zwei, drei- pffff „ raus. Nach drei Anläufen pfeift es fröhlich um unsere Ohren- so viel das es reicht lange Schläge zu fahren, ein, zweimal was zu üben, auf die Nase zu fallen- zu jubeln. Dann ist es für eine Weile wieder vorbei. So geht das den ganzen Nachmittag und wir finden irgendwann Spass daran startbereit an der Bar zu stehen, die Schaumkronen zu inspizieren und Oskar sein „Zwei Minuten noch die Herrrrschaften!“ nachzumachen, welches er als Ankündigung durch die Runde schallen lässt das alsbald wieder einige Minuten auf dem Wasser anstehen. Zweimal fällt mir der Schirm vom Himmel in den Fjord. Zweimal schlepp ich den Rastaroo an Land zurück, als ich mich anschicke ein drittes Mal ihn mit Süßwasser zu spülen mault er und ich lasse ihm seinen Willen. Vom ewigen Kurbeln bin ich auch platt und Verdammt! Mir tun die Arme so was von weh. Genug für heute- wir packen ein. Zurück in unserer Hütte Ratlosigkeit ob der Vorhersagen für den Sonnabend. Die ganze Woche wurde dieses Sturmtief gerechnet und vorhergesagt. Sehr beständig und mit stetig steigenden Windwerten. Ungewöhnlich weit im Norden Grossbritanniens ist es über die Insel geplumst und nimmt statt einer Bahn nach Südost in Richtung Deutsche Bucht ausgerechnet am morgigen Samstag Kurs auf den Skagerak, wo es gedenkt in der darauffolgenden Nach seine Luftpakete durch die Meerenge zu schieben um sie dann mit Paukenschlägen ins Balticum sich ergiessen zu lassen. Morgen wird es Sturm geben überall und es ist müssig jetzt zu überlegen, ob wir an die Ostsee fahren sollten. Bis Mittag liegen die Werte noch unter dreißig Knoten, danach soll es kontinuierlich zunehmen. Schauer soll es geben und Gewitter- ich zweifele, ob ich an diesem Wochenende noch mal aufs Wasser komme. Denn auch der mitgebrachte Schirm ist für derartigen Wind und mein Gewicht nicht wirklich ausgelegt. Nach Sauna, gegrilltem, einem guten Bier beschließen wir erneut früh das Bett zu verlassen und einfach zu schauen, ob die Nordsee morgen mit uns reden will. Kurz bevor ich in meine Wellenträume abdrifte seufze ich noch in Richtung schon längst von vergangenen Abenteuern träumenden Oskar „ Du! Mein Lieber! Mach doch das ich morgen entweder den Sturm knacke, wenn er denn dann so heftig hereinbricht, egal ob auf dem Fjord oder der Nordsee oder aber das der Sturm abdreht, wie so häufig und ich den Rhythmus der Wellen da hinter der Düne auch in diesem Jahr finde. Egal was- aber mach bitte, das morgen irgendwas geht und ich weder Angst habe vor dem das mich erwartet- noch meine Grenzen überschreite!“ Dreh mich um und reite die ich weiß nicht wievielte sich perfekt im Sonnenlicht brechende Welle.

Nachts werde ich wach, weil der Mann an den Turbinen da oben sich anschickt den Schlaf mit Arien zu stören. Es zerrt und poltert am Haus, das Holz knackt, auf der Terrasse fällt der Wäscheständer um, die Stühle pustet es auf den Rasen. Verdutzt setze ich mich auf und schlurfe raus ‚Ordnung machen des nächtens, Neos einsammeln, die Schuhe, Stühle festzurren und nicht darüber nachdenken, das Petrus den Regen gerade quer über den Platz fegen lässt. Wird schön. Irgendwann dämmert der Tag und erneut stapfe ich schweigsam mit dem Junior über die Düne. Wir kommen kaum voran, Schwaden von Sand werden auf unseren Nasen abgeladen. Peeling für lau. „Gut gegen Deine Lachfalten“ frotzelt Oskar. Oben angekommen stehe ich etwas ratlos. Der Wind ist voll onshore, Weisswasser soweit das Auge reicht, langgezogene perfekte Wellen -Fehlanzeige, riesige Brecher bäumen sich auf und rollen zerschossen in Richtung Strand. Ich seufze, klemm mir die Möwe unter den Arm, dreh mich um und nehm Oskar die Worte aus dem Mund. „ Kloster- wir fahren nach Kloster, schnell frühstücken und Abmarsch. Ich verzichte darauf in der Waschmaschine da unten einen Rhythmus finden zu wollen- ich knacke den Sturm heute Nachmittag und zwar in Kloster. Einer meiner favorisierten Spots am Fjord, wenn auch der Einstieg recht schmal ist und ich deswegen gerne weiter hinauslaufe zum Starten, so ist draussen in der Weite des Fjordes soviel Platz das man vergisst nicht auf dem Meer zu sein. Kaum Reusen im Wasser, wenig Schiffsverkehr und noch weniger Windsurfer. Kloster scheint ein reiner Kitespot und geht bei fast allen Winden mit Südanteil im Gepäck. Mitunter baut sich weiter draussen eine kleine Kabbelwelle auf.
Oskar rollt die Augen, schweigt still und schüttelt fast unsichtbar den Kopf. Ich drück ihn enger an mich. „Mach Dir keine Sorgen- ich gehe an die Grenzen heute, ich will das und ich brauche das- aber ich werde vorsichtiger sein und sensibler als sonst auf alles achten, das da oben an den Turbinen gegeigt wird. Vertrau mir Oskar“ Schnell werden die Brötchen besorgt, der Kaffee eingeworfen und im Handumdrehen ist die Karawane der sturmhungrigen Meute auf dem Weg nach Kloster. Dort angekommen sehen wir gerade den Achter der Jungspunde ausgelöst im Wasser zappeln. Die Jungs kommen an den Strand und sagen einfach nur „Grenzwertig!“ Jetzt werde ich doch unsicher. Reicht meine Erfahrung, reicht der Mut? Der Windmesser schwankt und pendelt im Mittel um 30 Knoten- Böen von 35 Knoten sind dabei- leider auch das eine oder andere Loch nach unten.Keine leichten Bedingungen. Wir bauen die Murmel auf und beschließen auf jeden Fall zu zweit am Start zu sein. Einer als Sicherung, der andere fährt. Im Moment des Startens schaltet der Turbinenmann einen Gang runter. Juchhe…und ich will geradde zurück zum Strand um dort auf meinen Auftritt zu warten, da wird mir einfach ein 5m² in die Hand gedrückt. Ob ich will? – und ob ich will! Kurze Einweisung, ein freundschaftlicher Klaps auf die Schulter und ich werde entlassen mit den Worten „Mach Dir keine Sorgen, ich steh hier am Strand und passe auf!“ Zwei Schläge brauch ich um mich an den 5er Waroo zu gewöhnen, dann hab ich es im Griff und ziehe meine Bahnen. Inzwischen peitscht es wieder aus allen Kanälen – ein Konzert unglaublich polternder Tonfolgen ergießt sich über das Wasser, so sehr das auch hier Wellen schlagen. So aufgewühlt habe ich es hier noch nie gesehen. Der Himmel über mir ist schwer und grau wie Blei. Ab und an habe ich das Gefühl das Blau der Freiheit über mir blitzen zu sehen. Ich täusche mich. Nach endlosen Runden da draußen, will ich eine Pause machen und mich ausruhen da zwingt mich unerwartet eine wirklich heftige Bö dazu erstmals ein bisschen die Hosen voll zu haben. Oskar ist wie aus dem Nichts neben mir aufgetaucht und schreit mir ins Ohr. „Schirm Richtung Wasser! An den Windfensterrand und aussitzen!“ Ich bin erschrocken, die Hand an der Safety tu ich automatisch, wie der Herr befiehlt und siehe da, der Waroo setzt sich auf den Tipp und die Bö aus. Ich lach Oskar an, der zufrieden sich wieder aufschwingt um sich seinen Nachmittagsimbiss zu organisieren. Kurz darauf wird mir der Schirm abgenommen. Es orgelt aus allen Pfeifen inzwischen, sämtliche Tonfolgen werden im Himmel gespielt. Manchmal weiß ich nicht mehr ob Arie, Ballade oder Rocksong. Kein sanfter Reggaeton dabei. Schade seufze ich. Hörte ich was Sanftes heraus dann würde ich mich doch noch wieder an die Murmel hängen heute Nachmittag. Es ist mir nicht vergönnt. Zufrieden pell ich mich wenig später in wärmende Klamotten, fotografiere die hitzigen Jungspunde, höre Sätze wie „Das sind echt coole Säue da draußen“ Und freu mich- das auch ich dazu gehöre!

Plötzlich bricht sich die Sonne Bahn und die Meute beschließt an die Mole in Hvide Sande zu fahren um den Wellen zu zuschauen. Auf dem Weg dorthin machen wir im örtlichen Surfshop halt und kommen in Versuchung. Es wird ein Sturmkite offeriert, der im Preis fast nicht zu schlagen ist. Da der potentielle Käufer aber noch nie diesen Schirm fuhr, pulen wir einen der Meute gehörenden aus dem Bus und wollen ihn ausprobieren. Wir stehen in Hvide Sande am Spot- ablandig kommt der Wind hier. Wir überlegen, ob testen jetzt wirklich klug ist. Schauerböen fegen über unsere Köpfe hinweg. Oskar schimpft auf uns leichtsinnige Jugend, wettert und zetert. Wir halten im den Schnabel zu und entgegnen in die Tiraden hinein. „Der Tester ist ein erfahrener Kiter. Hier ist es überall flach. Im schlimmsten Fall kommt er halt zu Fuß zurück.“
Wir Mädels fangen schon mal an den Schirm aufzubauen. Drei Mädels für nen Typen. Ein wahrlich amüsantes Bild für die umstehenden Windsurfer. Wir selbst müssen über diese skuriele Situation laut lachen. Die Bar wird erklärt und gestartet. Das Vergnügen dauert genau zwei Schläge, dann liegt der Evo im Wasser und eine der Leinen hat sich um eine Boje gewickelt. Zeternd steht Oskar am Strand und mault“ Ich habe es Euch gesagt. Es ist zu böig hier, zu gefährlich und viel zu abgedeckt als das der Typ hier nen Schirm testet. Ihr seit leichtsinnig- verdammt! Ich bin sauer auf Euch! Achselzuckend schauen wir uns an , ziehen die Köpfe ein, bauen ab und wechseln zurück nach Kloster. Dort angekommen messen wir dann aber im Mittel 35 Knoten. Test ist gegessen für heute- das geht jetzt wirklich nicht mehr. Also zurück zur Hütte. Inzwischen sind wir alle so durchgefroren, das wir nur noch einen heissen Tee trinken wollen und Kekse essen. Beschlossene Sache und nach der Vesper finden wir uns am Strand wieder und lauschen dem grossartigen Konzert das die Wellen uns inzwischen bieten. So einen Krach, so ein beruhigendes, dumpfes Grollen habe ich selten zuvor gehört. Ich werde nicht satt vom Anblick dieser Kulisse, überwältigt von dieser Naturgewalt falle ich staunend auf den Hintern, stütze das Kinn auf und lasse all diese Grossartigkeit über meine Augen mitten in mein Herz fliessen. Wie gerne würde ich da jetzt draussen sein, hoch und runter die Wellenberge, in den Swich und wieder raus, Kicker suchen, mich fallen lassen, hingeben, ergeben. Da kommen tatsächlich noch zwei Typen an den Strand und schicken sich an kiten zu gehen. Neid flammt auf- purer Neid und Ehrfurcht. Bei 40 Knoten in die Nordsee. Wahnsinn- die sind total verrückt und gut- verdammt gut. Ich sitze da in den Dünen und denke bei mir…nehmt mich mit, nehmt mich einfach nur auf einer klitzekleinen Welle genau jetzt mit.

Klappt natürlich nicht- Oskar knappert an meinem Ohrläppchen, kuschelt sich in meinen Kragen und säuselt mir zu „Du warst heute großartig da auf dem Fjord, furchtlos und unerschrocken – Deine Wellentage kommen wieder. Heute ist einfach mal ein Abend für schwere Jungs!“ Langsam trenne ich mich von der Szene- als ich die Düne rauf laufe begrüßt mich der goldene staunende Mond. Wat schön seufze ich, lächle, schnapp mir mein Handtuch und verkrümle mich vor der leckeren Pasta und dem noch leckereren Shiraz in die Sauna. Spät am Abend entert unsere Karawane die Party, trinkt noch mehr Wein, philosophiert über Wind, Wellen , Wetter und die TingTings, warum geheime Spots nie lange geheim bleiben, wie Pianos funktionieren, den neuen Tarantino und die Tatsache das Murmel wirklich zickig zu sein scheint. Spät verlassen wir die Lokalität- es heult so sehr da draußen, das Mützen festgehalten, werden, Kapuzen ins Gesicht gezogen. Wir gehen noch mal über die Düne. Ich kann nur noch rückwärts gehen. Mit dem Gesicht in den Wind kann ich nichts sehen, weil ich alles zuhalten muss da der peitschende Sand meine Wangen malträtiert, als ob jemand zeitgleich tausende Stecknadelspitzen unter die Haut fahren lässt. Das Meer ist gigantisch, atemberaubend und einzigartig. Der volle Mond schickt silbriges Licht in die Nacht und ehe wir es uns versehen hat der Verrückteste unter uns sich die Sachen vom Leib gerissen und verschwindet im Meer. Zweimal taucht er kurz unter dann kommt er mit schelmischen Grinsen im Gesicht zurück, schmeißt sich fröhlich plappernd in die Jeans- barfuss machen wir uns auf den Weg in die Hütte. Oskar verdrückt sich dort sofort in seine Ecke, stopft den Kopf unter den Flügel, murmelt „Gute Nacht“ und entschwebt in seine Träume. Ich schicke mich ebenfalls an meinen Träumen zu frönen, da habe ich plötzlich so ein Gefühl. „Ich muss noch mal los“ höre ich mich sagen und renn aus dem Haus. Wie und warum, ich weiss es nicht – nur das ich es muss- spüre ich. Komisches Leben manchmal. Ich stosse zu unserem Pärchen, zieh meine Schuhe aus und tanze über den Teppichboden- einfach mal so, an einem Sonntagmorgen im Oktober mit einer fulminaten Windprognose für die kommenden Stunden im Kopf und dem Wissen, das ich gerne weiter meine Grenzen austesten würde. Keine Ahnung wie früh oder spät es ist als ich mich schlafen lege. Ich träume nichts in dieser Nacht- ich lausche nicht dem Jammern des Windes, dem Rollen des Meeres. Ich schlafe tief und fest und ganz befreit. Heute habe ich Grenzen getestet, meine Kraft gemessen mit dem Pustemann und gewonnen. Morgen werden wir sehen.
Helllichter Tag ist es als ich wach werde. Die anderen haben schon den ersten Kaffee getrunken und ich sehe Stirnrunzelnde Gesichter. Der Wind hat weiter zugenommen, unermüdlich schickt er die Sandschwaden über die Düne, feiner Nebel so scheint es. Wir frühstücken, räumen die Hütte aus, beladen die Autos, entern ein letztes Mal die Düne, bestaunen die tosende See, sehnen uns nach Meer und Weite und Freiheit, checken aus und fahren zur Mole. Satt und gigantisch, laufen hier die Wellen rein, Arien schreien uns an, ein Gejaule in den Tauen der Segelschiffe- Himmel! Was für eine Gewalt. Entspannt schlendern wir durch den Hafen- Hunger meldet sich und da wir am Nachmittag noch wieder kiten wollen, bei abnehmendem Wind beschliessen wir unsere Mägen mit frischem Fisch zu füllen. Ein liebliches Restaurant, die Sonne, eine geschützte Ecke, 10 lachende Nasen und das zarteste und frischeste Fischfilet seit ewigen Zeiten. Wir schauen dem Wasser im Hafenbecken zu, wie die Wellen immer und immer wieder über den Rand schlagen- irgendwann läuft es über und wir fragen uns wie weit die Nordsee noch gedenkt heute in Richtung Fjord ihre Wellen zu schicken.
Wir fahren weiter nach Ringkjöbing. Ein Stück hinter dem ausgeschilderten Windsurfspot gibt es einen weiteren Strandzugang der nicht so sehr von Bäumen umgeben ist und daher viel weniger Verwirbelungen parat hat als der weiter in Richtung Stadt gelegene Spot für die Windsurfer. Ringköbing ist fahrbar bei östlichen bis südwestlichen Winden. Wind. Nimmt der Noranteil überhand wird der Wind ablandig und Skaven oder Bork Havn eignen sich besser zum kiten.
Wir biegen rechts ab und fahren den kleinen Feldweg an den Strand. Einsam schaukelt ein Boot im Sturm- ein Klappstuhl lädt zum Verweilen ein, die Hagebutten leuchten rot und prall im Licht des Nachmittages. Bis auf das Konzert aus dem Himmel hören wir nichts. Gevatter Wind hat fürs erste mit den Paukenschlägen an Böen ausgesetzt. 7er und 5er werden aufgebaut, die Murmel…ich entscheide mich dann gegen kiten. Heute bin ich müde und erinnerungsschwer, heute ist ein Tag an dem werden Grenzen nicht ausgetestet, sondern überschritten- Heute gehe ich nicht aufs Wasser- heute bin ich vernünftig! Stattdessen sicher ich am Strand, frierend im Neo mit heissem Pfefferminztee versorgt. Die Session der beiden Mutigen ist auch schnell vorbei- dunkle Graupelschwere Wolken wälzen sich über den Horizont. Zeternd holt Oskar die beiden Unerschrockenen vom Wasser wohlwissend und zu recht. Auch wenn er erst auf Unverständnis stösst, nach Öffnen der Schleusen im Himmel sind sie dankbar. Die Sonne senkt sich langsam zum Schlaf, mit ihren letzten Straheln zaubert sie den , ich weiss nicht wievielten , Regenbogen an diesem Sonntag an den Himmel, der satte Vollmond steigt auf. Es ist kalt geworden und spät und wir begeben uns auf die lange Fahrt in die grosse Stadt zurück. Schweigam, melancholisch hängt jeder seinen Gedanken nach und doch haben wir alle dieses satte, von Glück und Weite , Wind und Freiheit kündende Lachen um die Nasen.

No Comments

Sorry, the comment form is closed at this time.